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Kurt Ceipek
 

Folgende Redaktionsbesprechung könnte sich drei Tage vor der niederösterreichischen Landtagswahl in der Nachrichtenredaktion des ORF-Fernsehens abgespielt haben.

Der Vorsitzende: „Was haben wir heute an spannenden Meldungen? Was gibt es Neues im Fall vom Udo Landbauer?“

„Eigentlich nix.“

„Oh je, was machen wir denn damit? Das Thema müssen wir weiter hochkochen bis zum Wahltag.“

„Gott sei dank hat mich gerade die Präsidentschaftskanzlei angerufen. Der VdB sagt, er glaubt dem Landbauer nicht, dass er diese Lieder nicht gekannt und daher auch nicht gesungen hat.“

„Gott sei dank. Dann haben wir ja unsere Spitzenmeldung.“

„Und ist der Landbauer schon festgenommen oder wenigstens verhört worden? Oder gibt’s eine Demo gegen ihn?“

„Wofür sollte er festgenommen werden? Wo er doch das Büchl gar nicht gekannt hat.“

„Aber wenn der Bundespräserl das nicht glaubt, muss das doch Grund genug sein. Was haben wir denn sonst noch an Meldungen, die uns für den Wahlkampf nützlich sein könnten?“

„Da ist grad eine Meldung von einer niederösterreichischen Zeitung hereingekommen. Bei einem Politiker im Mostviertel haben sie Hitler-Büsten und Waffen und sonst noch alles mögliche aus der Nazizeit im Keller gefunden. Außerdem soll er seine Enkelkinder missbraucht haben.“

„Na super! Das müssen wir sofort groß aufblasen! Ist das nicht noch schärfer als das Nazi-Liederbuch? Dann bringen wir vielleicht das als Spitzenmeldung.“

„Ich seh da ein kleines Problem. Es geht da nicht um einen FPÖ-Politiker, sondern um einen Sozialisten.“

„Uijeh, da müssen wir aufpassen. Das sind womöglich Fake News. Das müssen wir genau prüfen. Sollen wir das Thema nicht zuerst einer Recherche-Plattform übergeben?“

„Aber die Quelle ist einigermaßen seriös. Die Niederösterreichischen Nachrichten bringen so etwas nur, wenn sie ganz sicher sind. Außerdem ist der Mann schon festgenommen worden und sitzt im Häfn. Und er streitet alles ab.“

„Das mit den Hitler-Devotionalien oder das mit den Kindern?“

„Nur das mit den Kindern. Bei den Hitler-Andenken tut er sich ein bissl schwer mit dem Abstreiten.“

„Egal! Das müssen wir gründlich prüfen. Und so seriös wie der Falter ist die NÖN als Quelle natürlich nicht.“

„Na gut, dann bringen wir das heute noch nicht.“

„Genau! Und morgen auch nicht. Schließlich dauert das Prüfen seine Zeit.“

Redaktionssitzung einen Tag nach der Landtagswahl

„Was haben wir für die heutige ZiB2 an Themen?“

„Wir bleiben auf dem Landbauer drauf. Schließlich hat die FPÖ eine Abfuhr von den Wählern bekommen und ihren Stimmenanteil nicht einmal verdoppelt. Das ist eine gefühlte Niederlage.“

„Wie viel Zeit widmen wir diesem Thema?“

„Für das eigentliche Thema haben wir ungefähr vier Minuten vorgesehen. Aber dann soll es noch eine Interview von mehr als zehn Minuten geben, in dem der Armin einen FPÖ-Politiker in die Mangel nimmt und den Zusehern erklärt, was das für eine Nazi-Partei ist.“

„Wer kommt von der FPÖ? Der Strache? Oder der Hofer? Oder der Kickl?“

„Gar keiner. Die haben alle abgesagt. Wir haben nur den Mölzer überreden können.“

„Oh je. Der ist ja ein ziemlich guter Diskutierer und lässt sich vom Armin Wolf auch nix gefallen. Aber irgendwie wird der Armin das schon machen. Wenn wir für das Thema insgesamt fast eine Viertelstunde Zeit haben, dann wird schon eine bissl was hängen bleiben.“

„Was haben wir sonst noch an Themen?“

„Da war doch vorige Woche irgendwas mit einem Gemeinderat im Mostviertel, der Sachen gesammelt hat und seine Enkelkinder zu lieb gehabt hat. Waren das nur Fake News?“

„Leider nein! Er sitzt noch immer im Häfn. Außerdem wird das jetzt schon in allen Medien groß berichtet. Das werden wir wohl oder übel auch bringen müssen.“

„Na gut, soll sein. Als zweite Meldung nach dem Ladenbauer und dem Mölzer.“

„Spinnst? Das bringen wir als vorletzte Meldung im Meldungsblock unter.“

„Wie viel Zeit haben wir für die Meldung?“

„Da gehen sich leider nur 17 Sekunden aus.

„Warum leider? 17 Sekunden ist ja wirklich genug. Vielleicht entpuppt sich das Ganze am Ende doch noch als Fake News.“

„In den 17 Sekunden müssen wir aber auch unterbringen, dass der Mann aus der SPÖ ausgeschlossen wird.“

„Das wird sich schon ausgehen. Wer ist der Mann eigentlich? Und wo ist er Gemeinderat?“

„Wurscht. Wir nennen den Namen sowieso nicht und sonst auch nix. Nicht einmal den Vornamen und den Anfangsbuchstaben des Familiennamens.“

„Da werden sich aber wieder ein paar hundert Zuseher aufpudeln.“

„Wir machen das nur zum Opferschutz.“

„Gibt es da keine Ausnahmen?“

„Höchstens dann, wenn ein Pfarrer sich an Kindern vergreift. Dann bringen wir das bei Bedarf auch mit Bild.“

„Angeblich soll der SPÖ-Politiker ja auch bei der Landtagswahl kandidiert haben.“

„Das sind sicher wieder so miese Fake News. Das lassen wir weg, sonst müssten wir die Meldung ja auf 25 Sekunden aufblasen.“

„Und wenn sich herausstellen sollte, dass es doch keine Fake News sind?“

„Bis dahin haben die Leute das schon wieder vergessen.“

„Außerdem: Was Fake News sind bestimmen wir.“

„Sehr gut, an die Arbeit!“

„Da soll noch einer sagen, dass wir kein gewissenhafter, seriöser und objektiver Sender sind. Wir sind und bleiben unentbehrlich für unser Österreich.“