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Werner Reichel
 

Wann immer sich ORF-Redakteure öffentlich um die Unabhängigkeit ihrer Anstalt sorgen, kann man sicher sein, dass im Bundeskanzleramt kein Sozi mehr sitzt oder er demnächst raus muss. Das war unter Schüssel so, als sich die Staatsfunker lautstark über Interventionen durch blaue und schwarze Politiker aufregten, das ist jetzt der Fall.

Wird die SPÖ-ORF-Symbiose von außen bedroht, werden beide Seiten äußerst unruhig. Der ORF-Redakteursrat hat deshalb eine Resolution verfasst, in der man vor dem Einfluss der Parteien auf den ORF warnt. Wenn der ORF von „Parteien“ oder „der Politik“ spricht, meint er stets ÖVP und FPÖ. Der SPÖ-Einfluss ist schließlich der Normalzustand, den es – unabhängig von den Machtverhältnissen im Land – aufrechtzuerhalten gilt.

Unter anderem heißt es in der aktuellen Resolution: „Politiker wollen bei Personalentscheidungen im ORF mitbestimmen und scheuen sich nicht einmal, einzelne JournalistInnen persönlich anzuschwärzen, wenn es gerade ins Wahlkampf-Konzept passt. Das alles mit dem Ziel, selbst vorteilhaft in den Sendungen vorzukommen.“

Das ist eine Anspielung auf Tarek Leitner. Der ORF-Redakteursrat bedient sich der bei Linken so beliebten Täter-Opfer-Umkehr. Leitner, der bekanntlich mit Christian Kern auf Urlaub war und der auch gemeinsam mit Kern auf Partys anzutreffen ist, wird als  Zielscheibe einer politischen Kampagne dargestellt. Dieser Vorwurf ist in gleich zweierlei Hinsicht absurd. Zum einen weil Leitner und Kern tatsächlich ein Naheverhältnis haben (hatten), zum anderen hat Leitner die Interviews mit den Spitzenkandidaten der Nationalratswahl nicht gerade fair geführt. Während er Christian Kern unterwürfig und unkritisch abfragte, versuchte er Sebastian Kurz möglichst schlecht aussehen zu lassen.

Der ÖVP-Jungstar konnte kaum einen Satz zu Ende sprechen, keine Gedanken zu Ende führen, ohne von Leitner unterbrochen zu werden.  Es war offensichtlich, Kern wurde hofiert, Kurz gegängelt. Leitner nun als Opfer und die ÖVP als Täter zu präsentieren, ist genauso verlogen wie die gesamte Resolution, in der es selbstredend nicht um Unabhängigkeit oder Objektivität geht.

Und es geht auch nicht um die Zuseher, wie der ORF so gerne behauptet: „Unser Appell an die Politik: lasst die ORF-JournalistInnen unter guten Bedingungen ihre Arbeit für das Publikum tun.“  Das Einzige, was den ORF am Publikum interessiert, ist, wie man es lenken und beeinflussen kann. Weil man damit aber immer öfter scheitert, muss man eben zu anderen Mitteln greifen und mit Resolutionen hausieren gehen. Die linken ORF- Redakteure wollen ihren Kurs ungestört weiterfahren. Jeder Versuch, den Staatsfunk zu entpolitisieren, wird als Angriff auf seine „Eigenständigkeit“, die er noch nie hatte, uminterpretiert.  

Seinerzeit, als die ORF-Redakteure verbissen gegen die schwarz-blaue Regierung kämpften, meinte Armin Wolf: „Die anderen (ÖVP und FPÖ) wollten – endlich – auch ihre Leute an die Schaltstellen hieven.“ Auch!  Genau darum geht es. Wehe, im ORF sitzen Menschen an wichtigen Stellen, die keine Genossen sind.

Darin unterscheidet sich der gemeine ORF-Redakteur nicht vom besorgten Durchschnittslinken, der immer dann die Demokratie in Gefahr sieht, wenn das Wahlergebnis nicht nach seinem Gusto ist. Für beide gilt: Nur wenn Linke in Medien und Politik den Ton angeben, sind Unabhängigkeit und Demokratie gewahrt. Was Demokratie und Unabhängigkeit bedeuten, haben sie nicht ganz verstanden. Zeit, dass sich das ändert. Um den ORF vom linken Mief zu befreien, braucht es einen frischen politischen Wind.