ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Rubriken

Archiv

Beitrag Melden

Bitte um ein Stichwort, warum dieser Beitrag als rechtswidrig oder ehrenbeleidigend (gegenüber konkreten Personen) offline genommen werden soll. Dass eine Meinung unerwünscht oder unsympathisch ist, ist kein ausreichender Grund dafür.

Ich will die Datenschutzerklärung lesen.

Beitrag melden

Werner Reichel
 

Überall in Europa führen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten auf mehreren Ebenen einen verbissenen Kampf um immer höhere Gebühren/Beiträge, um noch mehr Sonderrechte und Privilegien gegenüber der privaten Konkurrenz und um die stetige Ausweitung ihres Programmangebots. Es geht um den Erhalt der eignen Machtposition am jeweiligen Medienmarkt und es geht vor allem um Geld. Um sehr viel Geld. In Deutschland spülen die Pflichtbeiträge jährlich über acht Milliarden Euro in die Kassen der aufgeblähten Staatssender, da sind die zusätzlichen Werbeeinnahmen noch nicht mitgerechnet. Beim ORF sind es pro Jahr rund eine halbe Milliarde Euro. Auch nicht schlecht.

Diese Zwangsgebühren bescheren den Tausenden ORF-Mitarbeitern ein großzügiges und von der wirtschaftlichen Lage unabhängiges Einkommen. Damit das auch in Zukunft so bleibt, haben sich der ORF und die anderen öffentlich-rechtlichen Sender in Europa ein Repertoire an mehr oder weniger guten Argumenten und Phrasen ausgedacht, warum sie und ihr medialer Output für Demokratie, Gesellschaft, Kultur, Minderheiten und Wissenschaft unverzichtbar sind.

Ein Gutachten von 32 Wirtschaftswissenschaftler für das deutsche Bundesfinanzministerium räumt jetzt mit den immer selben fadenscheinigen Argumenten gründlich auf. Es zeigt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren aufgeblähten und teuren Verwaltungsapparaten und den deutlich überhöhten Gebühren im Zeitalter des digitalen Rundfunks obsolet geworden sind. Dass diese Anstalten nur noch zum finanziellen Nachteil der Bürger und zum Nutzen der Regierungsparteien und der Sendermitarbeiter am Leben erhalten werden.

Gleich zu Beginn stellen die Wissenschaftler klar, dass es sich bei den Pflichtbeiträgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland in Wahrheit um eine Steuer mit Zweckbindung handelt. Eine seltsame Mischform. Denn entweder ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein allgemeines Gut, dann müsste er via Steuereinnahmen aus dem Staatshaushalt finanziert werden, was sozial gerechter als eine einheitlich hohe Zwangsgebühr wäre, oder aber, diese Sender müssen über nutzungsabhängige Gebühren finanziert werden, auch das wäre wesentlich gerechter, als das jetzige Zwangsbeitragssystem.

Dann zerlegen die 32 Ökomonomen das beliebtestes Argument der Befürworter eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nämlich, dass nur Staatssender qualitativ hochwertiges Programm anbieten können. In dem Gutachten heißt:

„Die Funktionsfähigkeit eines privatwirtschaftlichen Hörfunk- und Fernsehangebots kann und darf nicht nur aus der Perspektive eines bestehenden Systems empirisch erschlossen werden. Entscheidend ist nicht die Frage, ob angesichts des derzeit bestehenden privatwirtschaftlichen Angebots der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine bedeutsame Aufgabe erfüllt. Öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk bilden ein interdependentes System. Das privatwirtschaftliche Angebot hat sich angesichts des bestehenden, gebührenfinanzierten und breit aufgestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunks entwickelt. Ein reformierter oder anders ausgerichteter öffentlich-rechtlicher Rundfunk würde ein entsprechend verändertes privatwirtschaftliches Angebot nach sich ziehen. Würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Programmangebot einschränken, würden dadurch zunächst Lücken entstehen. Nicht alle, aber viele dieser Lücken würden durch entsprechende neue Angebote der Privaten gefüllt werden. Bei einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen diese Reaktionen mitberücksichtigt werden.“

Soll heißen, Privatsender produzieren vor allem deshalb seichte Unterhaltung, weil das Qualitätssegment und der Info- und Nachrichtenbereich von den öffentlich-rechtlichen Sendern bestens bedient wird und sie zudem mit den Gebühreneinnahmen und den personellen Ressourcen in diesem Bereich einen uneinholbaren Wettbewerbsvorteil gegenüber den Privatsendern haben.

Schließlich braucht es auch im Printbereich keine „öffentlich-rechtlichen“ Zeitungen, um Qualität und Meinungsvielfalt zu garantierten. Die hohen Zwangsgebühren haben laut den Gutachtern zu einem ausufernden System und zu einer öffentlich-rechtlichen Überversorgung geführt:

„Eine Aufgabenabgrenzung, die sich am Subsidiaritätsprinzip orientiert, wird derzeit nicht praktiziert. Im Gegenteil: Man beobachtet den Bieterwettbewerb der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten um Sendeformate, die inhaltlich und konzeptionell von der privaten Konkurrenz praktisch kaum zu unterscheiden sind.“

Das gilt natürlich auch für den ORF, vor allem für ORF1 und Ö3. Diese pseudo-öffentlich-rechtlichen Angebote sind angesichts der Digitalisierung und der damit verbundenen Programm- und Angebotsvielfalt nicht mehr zu rechtfertigen.

Durch neue Technologien – insbesondere das Internet, aber auch die Digitalisierung des terrestrischen Rundfunks – haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Die Zahl der möglichen Sender ist technisch für alle praktischen Belange unbegrenzt. Und in der Tat findet sich für praktisch jede Musikvorliebe inzwischen ein geeignetes Internetradio. Zumindest was die Bereitstellung von Musik über Rundfunk betrifft, sind damit Staatseingriffe zur Sicherung der Programmvielfalt allem Anschein nach überflüssig geworden.“

Selbiges gilt für den Nachrichtenbereich im Internet. Auch hier machen die „kostenlosen“ Nachrichtenseiten von ORF oder ZDF den Onlineangeboten der Printmedien das Überleben schwer.

„Die beitragsfinanzierten Angebote (der öffentlich-rechtlichen Anstalten; A.d.V.) behindern in der Tendenz Prozesse, durch die sich ein selbst tragendes, qualitativ hochwertiges Subskriptionssystem privatwirtschaftlicher Anbieter (spiegel.de, faz.net, welt.de, …) entwickeln kann. Ein solches Subskriptionssystem hätte nicht nur den Vorteil, dass es sich über die Zahlungsbereitschaft der Nutzer selbst finanziert. Es hätte auch den Vorteil, dass die Zahlungsbereitschaft der Nutzer eine wichtige Steuerungsfunktion ausüben kann.“

Die 32 Wissenschaftler kommen deshalb zu dem Schluss, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland drastisch eingeschränkt werden kann, ohne dass die Programmvielfalt, die Qualität oder der Medienkonsument darunter zu leiden hätten:

„Legitim ist die Leistungserbringung durch den öffentlichen Sektor nur dann, wenn ein entsprechendes Leistungsangebot nicht privatwirtschaftlich-konkurrenzwirtschaftlich zu organisieren ist, und zugleich die Qualität eines öffentlichen Angebots im Verhältnis zu den Kosten einen hinreichenden Mehrwert erbringt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte deshalb als Anbieter nur dort auftreten können, wo die Privaten selbst bei Setzung eines geeigneten regulatorischen Umfeldes ein gesellschaftlich und bildungspolitisch gefordertes Angebot nicht von sich aus anbieten würden. Für staatliche Eingriffe in den Markt ist eine überzeugende Rechtfertigung erforderlich.“

Doch auch für die Produktion und Verbreitung von Inhalten, die derzeit von der Privatwirtschaft nicht bereitgestellt werden, braucht es nicht zwingend teure Staatssender:

„Anstelle einiger öffentlich-rechtlicher Sender könnte man sich auch ,Arts Councils‘ vorstellen, die einzelne Programminhalte ausschreiben und finanzieren. Ein solches System existiert bereits in Neuseeland.“

Das Gutachten kommt zu dem Schluss:

„Der öffentlich-rechtliche Anbieter sollte nur da auftreten, wo das privatwirtschaftliche Angebot klare Defizite aufweist. Angesichts der technischen Entwicklung gibt es kaum noch Gründe, warum der Rundfunkmarkt wesentlich anders organisiert sein sollte als der Zeitungsmarkt, der durch ein breites privates Angebot und Subskriptionsmodelle gekennzeichnet ist. Nur dort, wo die Privaten kein geeignetes Angebot erstellen, entsteht eine Aufgabe für die öffentliche Hand. Einige Lücken könnten durch eine kluge Regulierung eines weitgehend privaten Angebots geschlossen werden. Öffentlich-rechtliche Sender könnten die verbleibenden Lücken im Programmspektrum füllen.“

Das deutsche Gutachten trifft mehr oder weniger 1:1 auch auf das duale Rundfunksystem in Österreich und den ORF zu. Derzeit entwickelt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland und Österreich aber in eine komplett falsche Richtung. Die Programme und Angebote werden immer weiter ausgebaut, der finanzielle Bedarf und die Begehrlichkeiten werden dementsprechend immer größer, die öffentlich-rechtlichen Sender versuchen immer neue Felder zu besetzen und auch im Internet oder bei den On-Demand-Angeboten den privaten Anbietern das wirtschaftliche Überleben möglichst schwer zu machen. Unterstützt werden sie dabei von Politikern und Parteien, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Propagandainstrument für ihre Zwecke zu nutzen wissen.

Dieses deutsche Gutachten zeigt deutlich auf, wie man dieses ausufernde und Demokratie gefährdende System am besten eindämmen kann: mit radikalen Reformen. Doch dazu sind die Regierungsparteien in Deutschland und Österreich nicht bereit. Zu sehr profitieren sie von den extrem teuren Anstalten, zu sehr brauchen sie diese, um ihre politischen Botschaften möglichst ungefiltert und kritiklos verbreiten zu können. Deshalb wird dieses Gutachten rasch in irgendwelchen Schubladen verschwinden.