ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


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Werner Reichel
 

Die unabhängigen Zeitungen starteten im Oktober 1964, also vor genau 50 Jahren, ein Volksbegehren gegen den Einfluss der Politik auf den ORF. Über 830.000 Österreicher unterschreiben und  setzen damit ein unmissverständliches Zeichen. Der ORF wurde danach unter der ÖVP-Alleinregierung  von Bundeskanzler Josef Klaus grundlegend reformiert. Er bekam einen klaren Programmauftrag und einen neuen unabhängigeren Generaldirektor. Der Würgegriff von SPÖ und ÖVP wurde damals zumindest etwas gelockert.

Eine fünfteilige Serie zum Jubiläum des Rundfunkvolksbegehrens

Teil 3: Der Aufstand der Österreicher

Die Regierung hat die von ihr selbst gesetzte Deadline zur Reformierung des Rundfunks verstreichen lassen. Noch am selben Tag präsentieren die unabhängigen Zeitungen ihren Gesetzesentwurf für einen entpolitisierten Rundfunk. Gefordert werden unter anderem drei Hörfunk- und zwei Fernsehprogramme, wobei jeweils ein Hörfunk- und ein Fernsehprogramm werbefrei sein sollten. Der elfköpfige Aufsichtsrat soll sich aus fünf Parteienvertretern, drei Ländervertretern und drei Sprechern der Rundfunkteilnehmer zusammensetzen. Die Aufsichtsratsmitglieder und der Generalintendant sollten von der Generalversammlung bestellt und abberufen werden können. Die sogenannte Politikerklausel sah vor, dass der Generalintendant die letzten fünf Jahre keine politische Funktion bekleidet haben durfte. Zudem wurde eine öffentliche Ausschreibung aller wichtigen Posten im Rundfunk verlangt.

Zunächst mussten die unabhängigen Zeitungen die vielen komplizierten Hürden nehmen, die SPÖ und ÖVP errichtet hatten, um die Einleitung eines Volksbegehrens möglichst umständlich und langwierig zu machen. Unter anderem sind mindestens 30.000 Unterschriften für das Einleitungsverfahren notwendig: Die Zeitungen veröffentlichen deshalb einen Aufruf:

 

 Trotz des komplizierten Verfahrens und der bürokratischen Hürden ist das Echo enorm. Es zeigt einmal mehr, wie groß die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem ORF damals war. Hugo Portisch, Initiator des Volksbegehrens: „Das war deshalb so erstaunlich, weil fast jeder in diesem Land koalitionsabhängig war. 60% der Wirtschaft waren mehr oder weniger verstaatlicht jedenfalls unter der Einflußsphäre der Parteien. Man konnte ja fast keine Position in dem Land bekommen, ohne nicht bei einer Partei zu sein oder die Protektion einer der großen Parteien zu genießen. Und daß hier die Leute mit Namen und Adresse aufstehen, ganz gewiss 90% von denen waren von Parteien abhängig.“

Die Gewerkschaft  macht ihren Mitgliedern noch einmal unmissverständlich klar: „Der ÖGB unterstützt das Verlangen nach einem Volksbegehren nicht“.  Die sozialistische Arbeiterzeitung mokiert sich wiederum, dass man ein „so großes Aufheben wegen der Rundfunkreform mache.“

Doch auch die Querschüsse aus dem sozialistischen Lager helfen nichts mehr, die Aktion der unabhängigen Zeitungen für das Einleitungsverfahren wird ein überwältigender Erfolg. Innerhalb von drei Wochen werden weit über 200.000 Unterschriften abgegeben, ein Vielfaches der benötigten 30.000. Damit war der Weg für das erste Volksbegehren in Österreich frei. Das Innenministerium setze den Termin für die Zeit vom 5. bis 12. Oktober 1964. fest.

Um es den Initiatoren und der Bevölkerung aber nicht allzu leicht zu machen, ließ man sich neben den ohnehin schon hohen bürokratischen Hürden auch noch allerlei andere Schikanen einfallen. In vielen Gemeinden wurden etwa die Eintragungszeiten für das Volksbegehren so gesetzt, dass es für die arbeitende Bevölkerung kaum möglich war, ihre Stimme abzugeben. Mehrere Gemeinden strichen ganz einfach den letzten Eintragungstag, einen Montag,  und am Wochenende konnte man ohnehin in kaum einer Gemeinde das Volksbegehren unterschreiben und wenn, dann nur für sehr kurze Zeit. Die Stadt Wien stellte wiederum nur ihre 23 Bezirksämter zur Verfügung, was für eine Millionenstadt extrem wenig ist. Kurz, man machte alles, was möglich war, um das Volksbegehren zu behindern.

Wer sich damals ausschließlich via Radio und Fernsehen informierte, bekam von alledem gar nichts mit, denn im ORF wurde nicht über das Volksbegehren berichtet, absolut nichts.  Hugo Portisch: „Die Direktoren von Hörfunk und Fernsehen gaben Weisung, dass das Volksbegehren in keiner Nachrichtensendung gemeldet werden dürfe. Mehr noch: Es dürfe in  keiner einzigen Sendung erwähnt werden, und wer es erwähne, müsse mit seiner sofortigen Entlassung rechnen.“

Dass diese Drohung ernst gemeint war, bekam der ORF-Reporter Max Eisler zu spüren. Er sprach in der Sendung „Reporter unterwegs“ über das Volksbegehren. Am nächsten Tag wurde er gefeuert. Für den Erhalt genau dieser Art von Monopolrundfunk setzte sich die SPÖ damals massiv ein.

Sieht man von dem groben Vergehen des Herrn Eisler ab, wurde das Rundfunkvolksbegehren im ORF erstmals am 11.Oktober in den Nachrichten erwähnt, also einen Tag vor dem Ende der Eintragungsfrist.

Das sozialistische Zentralorgan, die Arbeiterzeitung, warnte wiederum seine schwindende Leserschaft eindrücklich, ja nicht zu unterschreiben. Sie titelt: „Achtung! Bauernfang mit Volksbegehren“  Da der ORF das Volksbegehren totschweigt und die sozialistischen Parteiblätter mit regelrechten Horrorschlagzeilen dagegen wettern, trommeln die unabhängigen Zeitungen um so lauter. Die Aufrufe der Presse sind von Erfolg gekrönt. Nach Ende der Eintragungsfrist zeichnet sich nach und nach ein überwältigendes Ergebnis ab.

Dieser Text ist ein gekürzter und überarbeiteter Auszug aus dem Buch: Die roten Meinungsmacher - SPÖ-Rundfunkpolitik von 1945 bis heute (Baden-Baden, 2012)